Die Handbremse „Perfektionismus“
Mit Vollgas den Bremsklotz „Perfektionismus“ abschütteln!
Montag Abend, ein letztes Mail trudelt herein: Man möge doch bitte ehestmöglich eine fundierte Analyse zur Frage der Kompatibilität der dritten Budget-Position von links mit der fünften Spalte der gefühlt hundertsten Version des Sales-Berichts von vorvorigem Monat abgeben und Stellung dahingehend nehmen, ob man aufgrund allfälliger Änderungen Adjustierungen im Verkaufs-Plan vornehmen und kommunizieren muss.
Variante 1:
Ach was, denkt frau, wen jucken heute abend noch die Sales-Zahlen von vor einer Ewigkeit, wo doch der Vorstand sowieso die aktuelle Version mit Forecast hat. Wegen so einer Lappalie hol ich mein Kind jetzt doch nicht eine halbe Stunde später vom Hort ab. Kinder vor Zahlen ist schließlich Common Sense – und morgen früh ist auch noch ein Tag.
Variante 2:
Du beginnst zu grübeln: Scheiße, da stimmt irgendwas nicht, das muss ich mir jetzt aber ganz genau anschauen, das geht nicht so zwischen Tür und Angel, da muss ich erst alle Protokolle der wöchentlichen Sales-Sitzungen ausheben und studieren. Dann werd´ ich sicherheitshalber eine Diskrepanzanalyse unter Berücksichtigung der mittlerweile vorhandenen neuen Echtdaten aus der Finanzabteilung machen – die Abweichung Delta y muss ich dann noch mit den Erhebungen aus dem Consumer Research gegenchecken und das Ergebnis gehört natürlich visualisiert… Vor Mittwoch keine Chance, aber dafür stimmt dann alles 100%ig.
Und während Du noch denkst…
Dienstag um 10 Uhr macht es Bing und eine Mail trudelt ein: Kollege Schnellerbrüter hat sich die Zahlen noch Montag nachts angesehen, die Abweichung analysiert, das Problem messerscharf erkannt und die Adaptionen im Verkaufs-Prozess bereits an die jeweiligen Fachabteilungen zu weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Man selbst möge doch so gut sein und dafür Sorge tragen, dass die lichtvollen Erkenntnisse des Kollegen in einem kurzen Bericht ausformuliert werden, man bedankt sich höflichst für die kompetente Kooperation. Im wöchentlichen Meeting findet der gemeinsame Vorgesetzte lobende Worte für den Arbeitseinsatz des Kollegen und seine diesbezügliche Vorbildwirkung.
Die Szenarien kommen Euch bekannt vor? Ihr seid frustriert, weil Euer Chef nicht von selbst auf die Idee kommt, bei Euch nachzufragen, ob Ihr vielleicht eine bessere Idee als der liebe Kollege aufweisen könnt? Und überhaupt – wer so schnell antwortet, dessen Ergebnis kann ja wohl nicht sehr fundiert recherchiert und durchdacht sein?`
Ja eh. Und überhaupt fällt in China jeden Tag ein Fahrrad um. Oder ein Reissack. Ungefähr so viel Impact hat es, wenn Ihr Euch darüber aufregt. Genau null nämlich. Viel besser ist es, Ihr überdenkt, warum Ihr immer zweiter Sieger seid, wenn es darum geht, das eigene Licht hell strahlen zu lassen. Frauen sind heutzutage unzweifelhaft mindestens genauso, wenn nicht oft besser ausgebildet als ihre männlichen Mitbewerber, sie sind genauer, verlässlicher und oft viel kreativer. Dennoch bringen sie diesen Vorteil nicht auf die Straße. Weil sie eben zu wenig Gas geben. Frauen fahren einen Turbo-Porsche maximal im zweiten Gang.
Traut Euch den Mut zur Lücke zu, Mädels! Gewinnen tut nicht immer der Beste, sondern meistens der Schnellste. Fuß aufs Gas und einfach den Motor röhren lassen, das ist das Motto.
Ihr wollt aber Euren Job möglichst professionell erledigen, da kann man doch keine „halben Sachen“ machen? Klar – einen Motorschaden sollte Euer Porsche nicht haben, aber mit einem Lack im Kratzer fährt das Ding genauso 180! Also, drauf aufs Gas und rechts überholen!
Fünf Tipps wie Ihr den Bremsklotz „Perfektionismus“ ausbremst:
- Allzeit bereit: Wer in einer mehrpersonalen Kommunikation als erster die Fakten schafft, wird als Leader wahrgenommen und hat die Pole Position. Meistens hängen sich alle anderen Kollegen gerne an eine bereits abgegebene Meinung an und ergänzen sie höchstens, um nicht ganz uninteressiert am Thema zu wirken. Und wer die Fakten schafft und die Zügel über die weitere Kommunikation zum Thema in der Hand hat, wird als kompetent und – was in der Frage des beruflichen Aufstiegs viel wichtiger ist – als Führungspersönlichkeit angesehen, dem wird dann oft gleich auch die Leitung der diesbezüglichen Arbeitsgruppe übertragen.
- Eindeutige Kommunikation: Nicht um den heißen Brei herumschwafeln – es gibt ein Problem und Ihr habt die Lösung! Ja, aber es gäbe auch eine andere Lösung? Vielleicht, aber Ihr seid die ersten!
- Selbstlob stinkt nur der Konkurrenz, nicht dem Chef! Man muss auch mal bei richtiger Gelegenheit sein Licht hell strahlen lassen, denn die im Dunkel sieht man nicht.
- Informationsmanagement ist das halbe Leben. Wer ewig braucht, um Antworten zu erhalten, wird nicht als erster durch die Ziellinie laufen.
- Wer sich mit schneller Kommunikation schwer tut oder vielleicht sogar Angst hat, in der Hitze des Gefechts nicht die richtigen Worte zu finden, sollte üben. Mailbausteine kann man einmal definieren und dann für verschiedene Anlässe verwenden. Teilt Euer Umfeld in verschiedene Kommunikations-Cluster ein, z.B. nach formal/weniger formal, nach Fachgebieten, nach Sprachen etc… Höflichkeitsfloskeln, die uns oft schwer von der Hand gehen, braucht man nicht immer neu erfinden. Genauso kann man gewisse Verhandlungstaktiken immer wieder gut gebrauchen oder Absage-Szenarien vorformulieren. Höflich, aber bestimmt ist die Devise. Ebenso empfiehlt es sich, gewisse Szenarien übungshalber auszusprechen – es gilt wie überall: Übung macht den Meister!